Ist Hate Speech (Hassrede) ein Thema für den Unterricht?

Kinder und jüngere Jugendliche kennen verletzendes Online-Verhalten in Form von Cybermobbing, Beleidigungen in WhatsApp-Gruppen oder bei Kommentaren zu YouTube-Videos oder in Gaming-Foren. Das Thema "Hate Speech" ist ihnen teilweise bereits begegnet, dürfte vielen aber so noch nicht in seinem ganzen Umfang und in seiner Tragweite bekannt sein.

Gerade deshalb besteht bei Kindern und jüngeren Jugendlichen die Chance, das Thema "Hate Speech" kennenzulernen, um Verhaltensmaßstäbe zu entwickeln, mit denen sie Hassreden und -kommentaren vorbeugend begegnen können – und dies kann auch im Unterricht geschehen.

Wie Sie als Lehrkräfte hier vorgehen können, wird in diesem Artikel beschrieben.

Tipp: Grundlegende Informationen zum Thema "Hate Speech" finden Sie auf unserer Elternseite – siehe den Surftipp in der rechten Spalte!

Kommunikationsregeln online und offline

Bei der Kommunikation über Apps bzw. das Internet sieht man sein Gegenüber meistens nicht. Reaktionen auf Texte, Bilder oder Sprachnachrichten bleiben so erst einmal unsichtbar.

Kinder müssen lernen, dass sie es auch in dieser  Kommunikationssituation immer mit Menschen zu tun haben, die individuell verschieden auf Inhalte reagieren. Hierzu kann geklärt werden, wie es sich anfühlt, beleidigt und ausgegrenzt zu werden und was wertschätzende und respektvolle Kommunikation ausmacht. Warum ist sie zum Beispiel im Klassenraum wichtig und sinnvoll? 

Bereits getroffene Gesprächsregeln bzw. Klassenregeln lassen sich auf das Internet erweitern: Wenn man im Klassenraum höflich miteinander umgeht – wie lässt sich das auch im Netz umsetzen, wo man den anderen nicht sieht? Warum kann es im Internet leichter sein, jemand zu beleidigen, als wenn man ihm gegenübersteht? Welche Möglichkeit hat man, mit einer Beleidigung umzugehen – im Klassenraum und im Chat? Wie können Missverständnisse vermieden werden?

Hier kann auch mit einfließen, was Meinungsfreiheit eigentlich bedeutet und dass sie ein hohes und schützenswertes Gut, also ein Recht darstellt, sowohl im Internet als auch "offline". Allerdings hat die Meinungsfreiheit auch ihre Grenzen. Wo würden die Kinder diese Grenze ziehen? So lassen sich erste Regeln für ein "digitales Miteinander" bzw. eine "Chatiquette" gemeinsam erarbeiten.

Die Macht von Sprache und Bildern

Sprache und Bilder können eine enorme Wirkung haben und unterschiedliche Emotionen hervorrufen. Kinder kennen diese Wirkungen, meist aber ohne darüber reflektiert und darüber gesprochen zu haben. Welche Bilder lösen welche Gefühle aus? Wie wirken lustige Bilder oder wodurch entstehen Angst, Unwohlsein und Aggression und Wut? Kann man mit Bildern auch Menschen ganz bewusst beeinflussen? Mit Beispielen aus der Werbung und aus dem Fernsehen lassen sich erste Muster erkennen und durchschauen. 

Lassen sich Bilder auch manipulieren? Hier kann kreativ gearbeitet werden. Beispielsweise können sich die Kinder selbst fotografieren (lassen) und über eine Fotobearbeitungs-App bzw. eine entsprechende Software auf dem Rechner den Hintergrund entfernen und ersetzen: Waren sie eben noch im Klassenraum, können sie nun auf einmal vor den Pyramiden stehen oder an anderen Orten. 

Informationskompetenz stärken

Auch im Internet muss nicht jedes Bild, jede Meldung der Wahrheit entsprechen. Welche Falschmeldungen kennen die Kinder bereits (zum Beispiel Kettenbriefe über WhatsApp-Gruppen) und wie erkennen sie diese? Woran kann man Werbung von Inhalt unterscheiden? Welche guten und vertrauenswürdigen Seiten kennen sie bereits? Diese Websites können zusammen angesehen und erste Kriterien entwickelt werden, was eine seriöse Berichterstattung ausmacht. 

Begegnen den Kindern Meldungen, die sehr "reißerisch" aufgemacht sind oder die übertrieben und unglaubwürdig erscheinen, können sie anhand von kennengelernten vertrauenswürdigen Websites überprüfen, ob sich diese Meldungen auch hier finden lassen und wie hier darüber berichtet wird. Eingebunden werden können auch "Hoax"-Suchmaschinen, die Falschmeldungen im Internet auflisten.

Zur Überprüfung, ob eine Meldung echt ist, gehört auch, auf die Quelle zu achten. Zahlreiche Internetseiten haben eine Adresse, die sich ähnlich wie die von seriösen (Online-)Zeitungen liest, bei der aber der ein oder andere Buchstabe vertauscht oder ausgelassen sein kann. Auch der Zusatz "24", der eine aktuelle Berichterstattung suggerieren soll, ist nicht immer ein Hinweis auf seriöse Angebote. Zudem gibt es vermehrt die Möglichkeit, selber Inhalte zu erstellen und über soziale Netzwerke zu teilen, die sehr professionell aussehen. Häufig werben diese Websites damit, dass man einen eigenen "Witz" oder einen eigenen "Fake" erstellen kann, um seine Freunde zu unterhalten. Allerdings wird nicht überprüft, wozu dieses Angebot tatsächlich genutzt wird.

Die Google-Bildersuche bietet die Möglichkeit, nicht nur nach Bildern mit einem bestimmten Namen, sondern auch nach Motiven selbst zu suchen, indem man auf das Kamerasymbol klickt und ein zuvor gespeichertes Bild hochlädt. So lässt sich auch für Kinder überprüfen, ob ein Motiv tatsächlich zu einer Meldung passt oder ob es immer wieder im Internet vorkommt und vielleicht sogar aus einem ganz anderen Zusammenhang stammt. 

Erst fragen – dann teilen

Begegnen Kindern Inhalte, die sie nicht einordnen können oder die sie verstören, sollten sie wissen, dass sie sich auf jeden Fall zunächst an ihre Eltern oder an einen Lehrer wenden sollten – das gilt natürlich auch für Inhalte zum Thema Hate Speech. Um diese erkennen zu können, ist auch ein Gespräch mit Erwachsenen hilfreich.

Ergänzend hierzu lassen sich bestimmte Schlagworte und Bildmotive, die immer wieder in diesem Kontext vorkommen, gemeinsam und dem Alter entsprechend sammeln. Eindeutige Beleidigungen und Herabsetzungen lassen sich eventuell leichter erkennen als Hate Speech, die Inhalte aufnimmt, die die Kinder noch nicht in ihrem schulischen oder privaten Umfeld kennen gelernt haben. Daher gilt: Texte, Kommentare, Fotos, Videos usw. sollen erst weitergeleitet oder geteilt werden, wenn ganz klar ist, worum es hierbei geht. Bei Unklarheiten sollten Eltern und Lehrer unterstützen.

Tauchen bei den Kindern immer wieder Inhalte auf, die sie Hate Speech zuordnen können, lassen sich diese in Sozialen Netzwerken auch melden. Danach hilft ein Blockieren des Absenders, um nicht weiterhin mit diesen Inhalten konfrontiert zu werden.  

Wenn es dem Alter und dem Entwicklungsstand der Kinder entspricht und im Unterricht behandelt wird, kann das Thema Vorurteile/Stereotype und Zuschreibungen auch auf das Thema Hate Speech ausgeweitet werden. 

Weiterführende Links

Für die weiterführende Arbeit mit Jugendlichen zum Thema Hate Speech stehen unterstützende Materialien für Lehrkräfte bereit. Hier lassen sich auch konkrete Anregungen finden, wie das Thema durch Aktivierung der Schülerinnen und Schüler kreativ angegangen werden kann: durch Kampagnen gegen Hate Speech mit Plakaten oder Videospots, "Entscheidungsgeschichten" oder Fotoaktionen, Interviews und Umfragen etc.:

Literatur

Kai Kaspar / Lars Gräßer / Aycha Riffi (Hrsg.): Online Hate Speech – Perspektiven auf eine neue Form des Hasses. kopaed verlagsGmbH. Düsseldorf, München 2017 (Schriftenreihe zur digitalen Gesellschaft NRW; 4)