Digitale Spiele und Jugendschutz: Ein wichtiges Thema, dem wir im Experten-Interview mit Lorenzo von Petersdorff, dem stellvertretenden Geschäftsführer und Legal Counsel der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK), auf den Grund gehen. 

In unserem Gespräch beleuchten wir aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze rund um die Alterskennzeichen der USK. Wie können Eltern ihre Kinder sicher durch die digitale Spielewelt navigieren? Welche Entwicklungen prägen den Jugendschutz bei Computerspielen? Erfahren Sie praxisnahe Einblicke und aktuelle Informationen rund um diese Fragen.

Wie sind die USK-Alterskennzeichen entstanden?

Lorenzo von Petersdorff: Die USK ist die gesetzlich anerkannte freiwillige Selbstkontrolle der Games-Branche. Seit fast 30 Jahren sind wir für den Jugendschutz bei digitalen Spielen verantwortlich. Gestartet ist die USK 1994 als Pilotprojekt. Damals hatten die USK-Alterskennzeichen noch einen rein informativen Charakter. Das änderte sich jedoch mit der Anpassung des deutschen Jugendschutzgesetzes im April 2003. Seitdem sind die bunten USK-Alterskennzeichen für den Handel verbindlich. Das bedeutet unter anderem, dass ein Spiel nicht an Heranwachsende verkauft werden darf, die das angegebene Alter noch nicht erreicht haben. Der Gesetzgeber hat sich dabei an den bereits bestehenden Alterskennzeichen für Filme orientiert, daher haben die USK und FSK die gleichen Altersstufen, nämlich 0 (Freigegeben ohne Altersbeschränkung), 6, 12, 16 und 18 (keine Jugendfreigabe). Auch die Größe der Alterskennzeichen ist gesetzlich festgelegt. Inzwischen werden die USK-Alterskennzeichen zudem durch spezielle Hinweise ergänzt. Diese Hinweise informieren über die wesentlichen Gründe für eine Altersfreigabe und geben darüber hinaus an, ob Online-Funktionen wie beispielsweise Chats oder In-Game-Käufe im Spiel möglich sind. Damit können Eltern nun auf einen Blick erkennen, warum ein Spiel die entsprechende Altersfreigabe erhalten hat und welche Funktionen darüber hinaus zu beachten sind, um gegebenenfalls technische Jugendschutzeinstellungen vorzunehmen.

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Wie funktioniert die Altersfreigabe von Videospielen und anderen digitalen Medien?

Lorenzo von Petersdorff: Die Vergabe von Alterskennzeichen für digitale Spiele ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Staat und der USK als Selbstkontrolleinrichtung der Games-Branche. Wird ein Spiel bei der USK eingereicht, wird dieses vom Testbereich der USK bearbeitet und anschließend an ehrenamtliche Sichterinnen und Sichter der USK weitergeleitet. Diese spielen das jeweilige Spiel und bereiten einen Bericht zum Videospiel vor. Anschließend erfolgt eine Präsentation und Diskussion  im Rahmen eines Prüfgremiums. Das Prüfgremium besteht aus vier unabhängigen Jugendschutzsachverständigen und einem staatlichen Vertreter beziehungsweise einer staatlichen Vertreterin der Obersten Landesjugendbehörden. Die Jugendschutzsachverständigen sind Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Medienpädagogik oder Jugendeinrichtungen, die viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben und über notwendige Fachwissen verfügen, um gut einschätzen können, welche Inhalte möglicherweise entwicklungsbeeinträchtigend wirken können. Die Diskussion im Prüfgremium führt schließlich zu einem Vorschlag für die Einstufung des jeweiligen Spiels, welcher durch die zuständige Vertreterin oder den zuständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden übernommen wird. Dabei ist auch eine Verweigerung der Altersfreigabe möglich, wenn eine Indizierung durch die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz nicht ausgeschlossen werden kann. Nach Abschluss des Verfahrens wird das Prüfergebnis dem Antragsteller mitgeteilt. Das Alterskennzeichen kommt dann auf die Spielerverpackung, wird auf Spieleplattformen angezeigt und ist in der Titeldatenbank auf der USK-Website zu finden.

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Welche Arten von Inhalten werden bei der Bewertung berücksichtigt?

Für die Prüfung digitaler Spiele gibt es festgelegte Kriterien. Diese dienen den Prüfgremien der Jugendschutzsachverständigen als Grundlage und Entscheidungshilfe. Im Mittelpunkt steht immer die Wirkungsvermutung und damit die Frage, inwieweit Kindern und Jugendliche in ihrer Entwicklung beeinträchtigt oder gar gefährdet werden könnten. Aspekte, die dabei eine Rolle spielen, sind beispielsweise die Spielatmosphäre, Inhalte wie Gewalt, Sexualität, Drogen, aber auch Handlungsdruck, der vom Spiel ausgeht. Neben diesen inhaltsbezogenen Risiken werden seit Januar 2023 auch sogenannte Nutzungsrisiken wie Chats, In-Game-Käufe oder das Teilen des Standortes bei der Bewertung von Spielen berücksichtigt, ebenso wie anbieterseitig implementierte Schutzmaßnahmen, wie z.B. technische Jugendschutzeinstellungen. Mit den neu eingeführten Zusatzhinweisen können Eltern nun auf einen Blick erkennen, welche Aspekte bei einem Spiel diskutiert wurden beziehungsweise welche Inhalte für die Altersfreigabe ausschlaggebend waren. Eine Erklärung der einzelnen Hinweise finden Eltern auf unserer Website.

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Spielen auf Smartphones und Tablets: Welche Alterskennzeichen gelten hier?

Lorenzo von Petersdorff: Für den Online-Bereich gab es bisher keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht. Das hat sich mit dem neuen Jugendschutzgesetz geändert, wonach nun auch Spieleplattformen ihre Inhalte kennzeichnen müssen. In vielen Fällen geschieht dies bereits durch das IARC-System (International Age Rating Coalition), das die USK vor zehn Jahren gemeinsam mit verschiedenen Organisationen zur Alterseinstufung digitaler Spiele aus unterschiedlichen Ländern ins Leben gerufen hat. Dazu gehören beispielsweise PEGI (Pan European Game Information) in Europa und ESRB (Entertainment Software Rating Board) für den nordamerikanischen Raum. In Deutschland werden in allen Vertriebsplattformen, die an dieses System angeschlossenen sind, die Alterskennzeichen der USK angezeigt. Das geschieht über ein automatisiertes Selbstklassifizierungssystem, das heißt einen Fragebogen mit Kriterien, die sich an der klassischen Spruchpraxis der USK orientieren. Die so generierten Alterskennzeichen geben auch hier neben der Altersstufe Auskunft über die maßgeblichen Inhalte der jeweiligen Spiele-App und zeigen an, ob Aspekte wie In-App-Käufe oder Nutzerinteraktionen wie Chats, Foren etc. enthalten sind. Angeschlossene Plattformen sind beispielsweise der Google Play Store, der Nintendo eShop, der Microsoft Store für Windows und Xbox, der Playstation Store, der Epic Games Store, der Pico Store, der Meta Quest Store und Amazon Luna.

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Welche Tipps haben Sie für Eltern im Umgang mit Online-Multiplayer-Spielen und anderen Spielern?

Lorenzo von Petersdorff: Viele Online-Spiele bieten eine spielerische Form der Interaktion und unterstützen gelebte Teamarbeit. Spielerinnen und Spieler haben hier die Möglichkeit, sich zu vernetzen und gemeinsam Spielabenteuer zu erleben. So haben zum Beispiel Chats eine wichtige Funktion in solchen Spielen, da sie die Möglichkeit bieten, Taktiken mit den Mitspielerinnen und Mitspielern abzusprechen. Sie bergen aber auch Risiken, wenn z.B. fremde Personen mit spielenden Kindern kommunizieren können. Diesem Risiko können Eltern begegnen, indem sie Jugendschutzeinstellungen an den Spielen aktivieren und so Chats deaktivieren oder auf den Freundeskreis beschränken. Darüber hinaus bieten viele Online-Spiele die Möglichkeit, Käufe zu tätigen. Hier sollte auf eine entsprechende Kostenkontrolle geachtet werden.

Praktischer und alltagstauglicher Jugendmedienschutz muss heute mehr denn je ganzheitlich betrachtet werden. Technische Maßnahmen sind dabei eine gute und hilfreiche Ergänzung zur Medienbegleitung. Sie können jedoch eine generelle Begleitung der Eltern bei der Mediennutzung ihrer Kinder nicht ersetzen. Wir empfehlen daher immer, die Spiele gemeinsam anzuspielen. Das gibt Eltern die Möglichkeit, sich selbst ein Urteil zu bilden. Zudem hilft es, die Faszination der Kinder für ein Spiel nachvollziehen zu können und mit ihnen darüber ins Gespräch zu kommen.

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Wie reagiert die USK auf neue Trends und Technologien im Bereich von Unterhaltungs-Software?

Lorenzo von Petersdorff: Neue Entwicklungen und Trends betrachten wir in der USK immer primär aus der Perspektive des Jugendschutzes. Virtual Reality oder auch Künstliche Intelligenz sind spannende Phänomene, die wir genau beobachten und regelmäßig im Hinblick auf ihre Jugendschutzrelevanz und ihr Beeinträchtigungspotential bzw. ihren Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen diskutieren. Je nach Entwicklung können solche Aspekte künftig aber auch in die Bewertungen einfließen. Dazu bedarf es jedoch stets einer Prüfung im Einzelfall.

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Gibt es Mechanismen, um sicherzustellen, dass Händler und Online-Plattformen die Altersfreigaben einhalten?

Lorenzo von Petersdorff: Ja, es gibt entsprechende Einrichtungen, die für die Überwachung der Umsetzung zuständig sind. Dazu gehören beispielsweise die Kommission für Jugendmedienschutz oder die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz. Mit beiden Institutionen steht die USK in engem Austausch, um einen zeitgemäßen Jugendschutz bei digitalen Spielen und Apps gewährleisten zu können. Darüber hinaus hat die USK bereits seit 2011 den Bereich USK.online eingerichtet. Hier berät die USK Anbieter, die sich freiwillig als Mitglieder angeschlossen haben, darüber, welche  Jugendschutzvorgaben in Deutschland gelten und wie diese in der Praxis umgesetzt  und ihre Angebote familienfreundlich gestaltet werden können. Mittlerweile sind fast alle großen Spiele- und Konsolenhersteller Mitglied bei USK.online und arbeiten gemeinsam mit der USK an einem zeitgemäßen und nachhaltigen Jugendschutz im Netz.

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Wie können Eltern Bedenken oder Beschwerden über bestimmte Spiele oder Inhalte mitteilen?

Lorenzo von Petersdorff: Hierfür gibt es verschiedene Beschwerdestellen, an die sich Eltern wenden können. Eine davon ist "jugendschutz.net". Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich bei spezifischen Fragen zur Alterskennzeichnung bestimmter Spiele direkt an die USK zu wenden. Hierfür steht ein Kontaktformular zur Verfügung. 

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Welche Angebote der USK können Eltern bei der Medienerziehung Ihrer Kinder unterstützen?

Lorenzo von Petersdorff: Neben der Zuständigkeit für die Prüfung digitaler Spiele ist es der USK seit jeher ein zentrales Anliegen, Eltern, pädagogischen Fachkräften sowie Kindern- und Jugendlichen Hilfestellungen für einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Spielen zu geben. Auf unserer Website findet sich beispielsweise ein Ratgeberbereich für Familien, in dem unterschiedliche Themen wie "Technischer Jugendmedienschutz", aber auch "Spielzeiten" behandelt werden sowie ein frei zugängliches Lexikon, in dem wir die wichtigsten Begriffe rund um Games und Jugendschutz sammeln und erklären, um Eltern fit und kompetent im Umgang mit digitalen Spielen zu machen. Seit 2022 engagiert sich die USK zudem gemeinsam mit anderen Institutionen des Kinder- und Jugendmedienschutzes im "Elternguide.online", einem Portal, das Eltern Hilfestellungen zu aktuellen Fragen der Mediennutzung bietet. Darüber hinaus bietet die USK regelmäßig "Digitale Elternabende" an. Dabei widmen wir uns wechselnden, aktuellen Themen des Jugendschutzes in Games. Neben Vorträgen von Expertinnen und Experten können Eltern und Interessierte uns auch direkte Fragen stellen und sich austauschen. Der nächste findet statt am 15. November zum Thema "Die USK-Alterskennzeichen: Was darf mein Kind das schon spielen?".

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